Varanasi - das 'Venedig' des Indiens |
Da war er nun gekommen, der Tag unserer Abreise aus dem
schoenen Rishikesh – und wir waren absolut bereit fuer das Abenteuer Varanasi. Die
Stadt, in die die ganze (Hindu-)Welt kommt, um zu sterben. Oder sich beim
rituellen Baden im Ganges ein besseres naechstes Leben zu sichern. Von allen
Seiten hoerten wir gemischte Meinungen ueber den heiligsten aller Hindu Orte:
“der beste Zwischenstop unserer Reise…, eine tolle spirituelle Erfahrung…, dreckig
und stinkend…, nur Abzocker und falsche Menschen…”. Das versprach ja spannend
zu werden. Wir waren fest entschlossen, dass man den Ort einmal sehen muss, an
dem sich Leben, Glauben und Tod so nahe stehen, und direkt nebeneinander vor
den Augen aller Oeffentlichkeit abspielen…
Die Zugfahrt: Die
Pechstraehne beginnt…
Die 13-stuendige Zugfahrt schreckte uns nicht wirklich ab,
schliesslich war sie ueber Nacht, und bisher war das immer sehr angenehm: (halbwegs)
gemuetliche Schlafkojen, nette indische Familien um uns herum, abends einschlafen
und morgens relativ ausgeschlafen an einem voellig neuen Ort ankommen. Das lief
auch soweit ganz gut – bis zum Aufwachen… Aufgeregt und gespannt was der Tag so
bringt stand ich auf und wollte mir die Zaehne putzen. Ich ruettelte Tim wach,
da er den Rucksack mit den Zahnbuersten hat – dachte ich! “Wieso, den hast du
doch” kam es da nur verschlafen von oben. “Nein, ich habe ihn nicht! Ich dachte
du…”. Oh nein! Panik stieg empor. Unser Rucksack! Wo zum Teufel ist der hin?
Nicht dass ich besorgt um die Zahbuerste war, nein, in diesem Rucksack befand
sich unser Samsung Netbook!!! Und jetzt soll es weg sein? Nein, das geht doch
gar nicht! Wie vom Blitz getroffen sprangen wir auf und durchsuchten das
komplette Abteil, verfolgt von verwirrt dreinblickenden Indern… Und es war die
bittere Wahrheit, unser Rucksack – samt Laptop – wurde geklaut! Wir koennen uns
bis heute nicht erklaeren wie das passieren konnte… Dann kam unsere Station,
angekommen in Varanasi. Aussteigen! Ich blieb bis zur letzten Minute im Zug
stehen, ich wollte es einfach nicht wahrhaben, der Rucksack musste doch im Zug
sein! Leider werde ich das nie herausfinden, und stolperte voellig ausgelaugt
und ueberfordert aus dem Zug, in die sengende Hitze… Namaste Varanasi…
Und der Stress hoert
nicht auf…
Nach dem Schock mit dem Laptop wollten wir nur noch eins: ab
in das schoene Hotel, das wir uns herausgesucht hatten und erst einmal
herunterkommen… Das ‘Ganpati Guesthouse’ sollte direkt am Ganges liegen, mit
schoenen bunten grossen Zimmern mit Blick auf den Fluss, und einem tollen
Innenhof und Dachterasse. Genau das richtige um Varanasi doch noch halbwegs gut
zu beginnen. Leider fuhren die Tuktuks vom Bahnhof aus nicht bis in die
Altstadt, da die Gassen zu eng und verwinkelt sind. Ca. 15 Minuten Fussweg
durch einen Irrgarten, in dem uns alle 10 Meter ein neuer
Inder in sein Hotel
schleppen wollte. Egal, Augen zu und durch, es duerfte sich ja lohnen… Endlich
da! Und… alles ausgebucht!!! Neeeeeeeiiiiin…. Ok, daneben steht ja ein aehnlich
schoenes Hotel – auch ausgebucht! Das gibt es doch nicht…. Ein Inder an der
Rezeption versprach uns in ein anderes “really nice” Hotel zu bringen. Da uns
zu diesem Zeitpunkt dann Alles recht war, folgten wir seinem schnellen Schritt,
unter der Last unseres immer schwerer werdenden Gepaecks und voellig
durchgeschwitzt… Die Strassen wurden dreckiger, und der Eingang und die
Rezeption des ‘Pooja Guesthouse’ sahen nicht sehr einladend aus. Genauso wenig
einladend waren die Zimmer. Zwar sauber, aber heiss, ein Mini-Fenster und ein
steinhartes Bett, und dafuer ganz schoen teuer – ca. 10 Euro ;)) … Hmmm… und
nun? Naja, das Rooftop Restaurant war wohl das hoechste in der Stadt (und es
war wirklich schoen, nachdem man die 4 Stockwerke mit Schwindel und Atemnot
hinter sich gebracht hat). Also blieben wir…
Blick von unserem Rooftop |
Eindruecke von
Varanasi: Drecksloch oder doch irgendwie schoen?
Hindus beim morgendlichen reinwaschen im Ganges |
Also wir muessen sagen, wir haetten Schlimmeres erwartet.
Die kleinen Gassen der Altstadt beherbergten (wie gewohnt) suesse kleine Shops,
die Haendler priesen (wie gewohnt) ihre Ware an, Hindus tummelten sich (wie
gewohnt) vor ihren kleinen Tempeln… Gut, ab und zu kamen auch die etwas
stechenden Gerueche und Muell-Haeufchen zum Vorschein – wie gewohnt. Die Stadt
war also nicht grossartig dreckiger als irgendwo sonst, wo es eben eine
Altstadt mit engen Gassen gibt… Hmmm, schon mal eine ganz positive
Ueberraschung…
Ganga Aarti |
Dafuer gab es dann eine Enttaeuschung bei etwas, bei dem wir
uns sicher waren, dass es ein einmaliges Erlebnis waere: Das traditionelle
‘Ganga Aarti’ – ein kraftvolles mystisches religioeses Ritual, das jeden Abend
am Main Ghat (Ghat = Badestellen, Stufen die in den Ganges fuehren) zum
Sonnenuntergang stattfand. Einer der
Touristenmagnete Varanasis. Priester wuerden in Kostuemen ein Schauspiel mit
Feuer, Gebet und Tanz auffuehren… Na das musste doch gut werden… Hmmm… Also
entweder sassen wir auf der falschen Seite, oder die Goetter hatten gerade
einen schlechten Tag und keine Lust uns zu begeistern. Eine halbe Stunde lang
passierte erstmal gar nichts, ausser dass uns ein Bootsmann zum 100sten mal versuchte
in sein Boot zu locken. Die anderen Touristen um uns herum waren ebenfalls
enttaeuscht, was uns wenigstens versicherte, dass wir keine ignoranten
Kulturbanausen waren… Ein kleines Highlight kam dann doch: die groesste Kuh
(oder war es ein Bulle?), die ich je gesehen habe kam ploetzlich von unten die
Treppen hochgestuermt! Waaaaaah, Alles sprang zur Seite, und… schade, ruckzuck
war sie verschwunden und es wurde wieder langweilig ;) Wahrscheinlich haben wir
einfach den falschen Tag erwischt…
Eine krasse, Varanasi-spezifische Erfahrung, die man nicht
so richtig einordnen konnte, war unser Besuch am ‘Burning Ghat’ – eine der
beiden Stellen am Ganges, wo tote Menschen in aller Oeffentlichkeit verbrannt
werden! Beim Gedanken daran schauderte es uns doch ein wenig… Aber angucken
mussten wir uns das trotzdem einmal. Wir entschieden uns dabei fuer das
kleinere, nicht so touristische Burning Ghat. Von dem anderen
Haupt-Verbrennungsort hatten wir viele Negativ-Stories gehoert ueber falsche
Priester, die sich auf Touristen stuerzen und sie fuer die “Best Views”
abzocken wollen… “Best Views” auf brennende tote Koerper, Abzocker am Sterbeort,
und 100erte weisse Touristen mit klickenden Fotoapparaten – das war uns dann
doch zu makaber… Als wir uns dem kleinen Ghat naeherten, wurden wir ploetzlich
von einem Inder zur Seite geschubst: “Please, Madam, Sir, make some space”.
Verbluefft drehten wir uns um: eine kleine Kolonne bewegte sich schnellem
Schrittes auf uns zu, auf den Schultern einen umhuellten, mit Blumen
geschmueckten Leichnam auf einer Trage… Brrrrr… Angekommen am Ghat kam direkt
ein kleiner Mann auf uns zu, der uns anwies uns die Zeremonie von einem kleinen
Vorsprung aus anzusehen, da die Stufen nur fuer Angehoerige waren. Gut, dachten
wir, wenigstens noch ein bisschen “Privatsphaere” fuer die Familie… Der Koerper
wurde zuerst im Ganges gewaschen, dann auf einer Art Scheiterhaufen aufgebahrt
und angezuendet… Wir blickten auf die anderen beiden, schon laenger brennenden
Haufen, bei einem konnte man die menschlichen Konturen erkennen… BBBBRRRRRRRR….
Nach 5 Minuten bat man uns dann zu gehen, was wir natuerlich respektierten und
auch gerne taten…
Bootsfahrt zu Sonnenaufgang |
Ein weiteres obligatorisches Erlebnis fuer Varanasi war eine
Bootsfahrt zum Sonnenaufgang. Einer der Hotelangestellten wollte sich darum
kuemmern. Also hiess es am letzten Morgen um 5:00 Uhr raus aus den Federn!
Eigentlich wollten wir die Fahrt schon am Vortag machen, allerdings dachten wir
mit 5:30 Uhr waere abends gemeint, und trafen spaeter auf einen verwunderten
Bootsmann, der sich fragte wo wir denn waren :) Bloed gelaufen...
Wir gingen diesmal also punktpuenktlich nach unten – alles war dunkel, die Hotelangestellten schliefen auf dem Boden, das Tor war verschlossen… Ploetzlich sprang ein Angestellter auf, und bat uns noch auf 2 andere Hotelgaeste zu warten… dann ging es los! Am Steg angekommen sollten wir dann auf einmal getrennt auf 2 Booten fahren… ???... Na klar, der wollte mehr Kohle von uns! Der Preis gilt schliesslich per Boot… Ha, aber nicht mit uns! Wir weigerten uns alle vier hartnaeckig, der Hotelangestellte wurde immer zickiger, aber gab dann am Ende doch nach… So nicht mein Freund! Die Bootsfahrt war dann wirklich endlich mal ein Traum!!! Die Sonne ging auf und erstrahlte in einem kraeftigen Pink, man sah die tollen alten Gebaeude (Varanasi ist eine der aeltesten Staedte der Welt), und die Hindus die sich froehlich im heiligen Wasser badeten und beteten. Ist doch viel besser als sich in die kalte dunkle Kirche zu hocken, oder?
Wir gingen diesmal also punktpuenktlich nach unten – alles war dunkel, die Hotelangestellten schliefen auf dem Boden, das Tor war verschlossen… Ploetzlich sprang ein Angestellter auf, und bat uns noch auf 2 andere Hotelgaeste zu warten… dann ging es los! Am Steg angekommen sollten wir dann auf einmal getrennt auf 2 Booten fahren… ???... Na klar, der wollte mehr Kohle von uns! Der Preis gilt schliesslich per Boot… Ha, aber nicht mit uns! Wir weigerten uns alle vier hartnaeckig, der Hotelangestellte wurde immer zickiger, aber gab dann am Ende doch nach… So nicht mein Freund! Die Bootsfahrt war dann wirklich endlich mal ein Traum!!! Die Sonne ging auf und erstrahlte in einem kraeftigen Pink, man sah die tollen alten Gebaeude (Varanasi ist eine der aeltesten Staedte der Welt), und die Hindus die sich froehlich im heiligen Wasser badeten und beteten. Ist doch viel besser als sich in die kalte dunkle Kirche zu hocken, oder?
Fazit: Magische Stadt
mit schlechter Mentalitaet
Ein paar Beispiele:
![]() |
Unsere Bootsmaenner |
2. Der Tabla-Lehrer (Tabla ist eine traditionelle indische
Trommel), bei dem wir fuer den naechsten morgen Tabla-Unterricht fuer 2 gebucht
hatten: Wir mussten im Voraus bezahlen (ich weiss, selbst Schuld) und am morgen
fiel ihm ein, dass er nur 1 Tabla hatte, und fragte ob nicht einer von uns
Sitar lernen wollte… Und beigebracht hat er uns dann auch nicht viel, weil er
eigentlich gar keine Lust hatte…
3. Der Typ, bei dem wir unsere Zugtickets nach Darjeeling
gebucht hatten: Nicht nur hatte er uns den 18:30 Uhr Zug fest zugesichert, der
sich dann doch in 21:20 Uhr verwandelte… Seine Komission von 150 Rs. insgesamt,
wurde dann ploetzlich zu 150 Rs. pro Person… Ganz nebenbei erfuhren wir
spaeter, dass der Zug gar nicht von Varanasi, sondern vom 1 Stunde entfernten
Mughal Sarai abfaehrt! Oh Mann….
Was mich aber stets noch mehr auf die Palme
brachte als die Betruegerei an sich, war dass jeder immer jegliche Schuld von
sich wies, und am besten noch versuchte, sie uns in die Schuhe zu schieben. Jeder fuehlte sich sofort angegriffen wenn man ganz normal fragte: “Warum hast du das
denn nicht eher gesagt”… Dem wurde geschickt ausgewichen mit Dingen wie “There
is no train from Varanasi to Darjeeling” – “Ja, das wissen wir nun, aber warum
hast du uns das denn nicht vorher gesagt????”
Versuch der Stadt zu
entfliehen
Nach einer selbst organisierten Busfahrt fuer ca. 20 cent
(statt der 30mal so teuren Tuktuk-Fahrt, die uns der Zugtyp anbot) kamen wir
stolz am Bahnhof Mughal Sarai an, bereit das Kapitel Varanasi hinter uns zu
lassen… Als wir in die Halle traten, trafen wir ploetzlich auf Simon – ein sehr
netter und lockerer Neuseelaender, den wir kurz in Varanasi getroffen hatten.
Wir hatten bereits Emails ausgetauscht, da er einen Tag frueher als wir
ebenfalls nach Darjeeling reisen wollte… Aber warte mal – was macht er denn
dann noch hier??? Wir fanden schnell heraus, dass Simon etwas Aehnliches
passiert war wie uns, nur hatte er etwas weniger Glueck: Auch er wusste nicht,
dass der Zug nicht von Varanasi faehrt, und fand es erst raus als es schon zu
spaet war. Wieder einer ins Varanasi-Netz getappt… Aber dieses mal meinte es
das Schicksal auf irgendeine Weise doch gut, denn wenigstens waren wir in
netter Gesellschaft :)
Das Team vom Bahnhof Mughal Sarai |
Ha, das Schicksal meint es gut? In (oder bei) Varanasi?
Hahaha… Wir blickten auf die Anzeige, und was wir neben unserem Zug sahen war
unfassbar: 8 Stunden Verspaetung??? Neeeeeeiiiin! Das durfte doch alles nicht
wahr sein… Wir liefen aufgeregt ueber den Bahnhof, in der Hoffnung dass es noch
einen anderen Zug gaebe – gab es natuerlich nicht… Wir mussten uns wohl mit
einer Uebernachtung am Bahnhof anfreunden – fuer Simon nun schon der zweite Tag
Verzug! Da hat sich das Schicksal dann doch gedacht, dass es ein wenig hart mit
uns umgegangen war, und schickte uns drei super nette und witzige Amerikaner:
Sienna, Adina und Carl aus Seattle. Auch diese drei waren auf dem Weg nach
Darjeeling und sassen fest. So beschlossen wir, alle zusammen zu bleiben, und
vertrieben uns die Zeit mit Bierchen, spannenden travel stories und
israelischen Kartenspielen. Wir schafften es sogar auch ein paar Stuendchen zu
schlafen (der eine mehr, der andere weniger)… Leider war auch nach 8 Stunden
die Wartezeit noch nicht vorbei: noch 2 Stunden mehr. Na gut, macht jetzt den
Braten auch nicht mehr fett… Jetzt los? Nein, nochmal 2 Stunden – OK, was
soll’s. Nach geschlagenen 18 Stunden sassen wir dann endlich alle zusammen im
Zug, gluecklich und gespannt was wir alle zusammen in Darjeeling erleben
werden… Und ihr duerft auch gespannt sein ;)
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